Jagd und Haltung in Spanien

verfasst von Dr. Karin Dohrmann (mit freundlicher Genehmigung zur Veröffentlichung)

 

1. Der Jagdeinsatz von Galgos und Galgo-Mischlingen in Spanien und das daraus resultierende Jagdverhalten

Die Hasenjagd mit Hilfe zweier Windhunde schilderte schon der römische Historiker Arrianus Flavius 150 n. Chr., der diesen „Wettkampf“ bei den Germanen beobachtet hatte. Ähnlich wird in Spanien noch heute der Galgo für die Carreras en Campo, die Hasenhetze auf freiem Feld, genutzt. Heute werden allerdings die Hunde von ihren Galgueros (Windhundeführer) mit dem Auto ins Jagdgebiet gebracht. Da sich meist mehr Galgueros zur Hasenjagd treffen, haben sie bis zu zehn Galgos zum Wechseln dabei. Während zwei Galgos pro Jäger an eine Spezialleine, die Trailla kommen, werden die restlichen Galgos von Helfern an der einfachen Leine geführt. Die Truppe durchstreift in einer Formation das Gelände und wenn ein Hase hochschreckt, lässt ein Galguero, wenn der Abstand zum Hasen groß genug ist, die Galgos gleichzeitig von der Trailla. Der Abstand zum Hasen wird je nach Schnelligkeit und Können des Galgopaares bestimmt, denn man will vor allem eine lange und aufregende Hetzjagd, bei der es nicht unbedingt nötig ist, dass der Hund den Hasen stellt. So entkommen die meisten Hasen und der Galgo ist es gewöhnt auch ohne Beute zu seinem Herrn zurückzukommen. Eine lange Hetze kann bis zu 5 Minuten dauern, danach kehren die Galgos wieder zu ihrem Galguero zurück, lassen sich an die Trailla nehmen und erneut durch das Jagdgelände führen.

Die meisten Galgos sind es daher gewöhnt locker neben ihrem Halter an der Leine zu laufen, da sie gewohnt sind an der Leine in Reserve zu sein und erst an der Trailla zum Jagdeinsatz zu kommen. Auch bei Sichtung von Wild sind sie an der normalen Leine nur kurz aufregt und spazieren verhältnismäßig schnell wieder gelassen weiter. Anders ist das Verhalten allerdings, wenn der Galgo frei läuft. Dann befindet er sich selbstständig „bei der Arbeit“ und ist auch nicht gewöhnt sich am Menschen zu orientieren oder Kommandos von ihm zu empfangen. Da Galgos nur Hasen jagen dürfen und beim Aufspringen eines Kanichens nicht von der Trailla gelassen werden, können Galgos mit der Frustration eines Jagdabbruchs sehr gut umgehen. Bei einem Hund mit solchen Erfahrungen lässt sich leichter kontrollierend auf das Jagdverhalten einwirken.

 

Galgo-Mischlinge bei der Schwarzwildjagd

Ganz anders sind die Grundlagen bei Galgomischlingen, die zusammen mit Spürhunden und Packern in einer Meute zur Schwarzwildjagd eingesetzt werden. Die Meute wird im Anhänger ins Jagdgebiet gefahren, die Türe wird geöffnet und die Meute springt heraus. Mit dem Sprung aus dem Anhänger befinden sich diese Hunde im Arbeitseinsatz. Sie sammeln sich um den Meutenführer, der sich mit ihnen ins Gelände bewegt und somit die Richtung angibt in der die Treibjagd laufen soll. Mit unterschiedlichen Rufen schickt er die Meute los. Da eine solche Meute immer spurlaute Hunde begleiten, kann man akustisch verfolgen in welche Richtung sie gehen und am Geläut (Gebell) erkennen, ob sie auf der Spur sind oder sogar schon ein Wild hetzten. Mit einem Pfiff- oder Rufsignal kann der Meutenführer seine Hunde wieder in seine Nähe rufen.

Hunde aus solchen Meuten kennen meist keine Leinenführigkeit. Sie sind gewohnt in großen Flächen zu arbeiten und sich weit und eine lange Zeit von ihren Meutenführern zu entfernen. Dass solche Hunde mehrere Stunden selbständig, ohne Kontakt zum Menschen aufzunehmen, unterwegs sind, ist keine Seltenheit. Meist jagen sie aber in einem eingezäunten Gebiet, orientieren sich an den Rufen und Pfiffen ihres Meutenführers und kehren an den Ort zurück, von dem sie zur Jagd aufgebrochen sind. Meutehunde haben meist weniger das Bedürfnis Kontakt mit dem Menschen aufzunehmen als Galgos, die durch das Anlegen der Trailla die Berührungen von Menschen und eine körperliche Interaktion mit ihnen gewöhnt sind.

 

Welche Fähigkeiten und Anforderungen bringen Galgos aus Spanien mit?

Galgos aus Spanien sind passionierte Jagdhunde, die durch die Jahrhunderte in ihrem Heimatland züchterisch auf ihre jagdlichen Qualitäten selektiert wurden. Sie müssen auf der Jagd eigene Strategien entwickeln, sich in effektivster Weise mit ihren Jagdpartner absprechen und bei Auftreten von Problemen selbstständig Lösungen entwickeln. Dies ohne Anweisungen von Seiten des Menschen! Daher stellen sie mit ihrer enormen Selbstständigkeit im Freilauf in unserer stark besiedelten Kulturlandschaft hohe Ansprüche an ihre neuen Halter. Galgos müssen in der Anfangszeit konsequent an der Leine geführt werden und können nur in einem gesicherten Gelände frei laufen gelassen werden. Die Leinenführigkeit fällt Galgos, die auf der Hasenjagd eingesetzt wurden nicht schwer. Junge Galgos, die kaum auf der Hasenjagd waren oder Galgos aus Jagdhundmeuten ziehen meist deutlich mehr an der Leine und müssen in Leinenführigkeit geschult werden.

Von Anfang an ist es unumgänglich ihnen zu vermitteln, dass der Mensch im Freien die Regeln vorgibt, dass man sich mit ihm abspricht und sich in einem beschränkten Radius um ihn herum aufhält. An der Leine fällt dies dem Galgo nicht schwer, denn er bewegt sich ja auch auf der Jagd an der Leine mit seinem Menschen durchs Gelände. Die meisten Galgos orientieren sich in der Anfangszeit sogar sehr an ihrem Menschen, wenn dann aber nicht mit ihnen trainiert wird, beginnen sie sich irgendwann selbstständig mit Sichten und Aufspüren von Beute zu beschäftigen. Oft falsch eingeschätzt, zeichnen sich Galgos durch einen hohen Arbeits- und Lernwillen aus und wollen auch geistig beschäftigt werden. Daher haben Halter, die die natürlichen Fähigkeiten dieser Jagdhunde für neue Aufgaben einsetzen, sei es bei der Fährtenarbeit, Verlorensuche, Mantrailling oder ähnliches, die besten Bindungserfolge. Mit dem Aufbau einer vertrauensvollen Bindung und einer Kommunikation mit dem Menschen im Freien, funktioniert mit dem Training des Herankommens und des Rückrufs auch eine Kontrolle des Jagdtriebs im Freilauf. Mit einer solide aufgebauten Leinenführigkeit, die den Hund daran gewöhnt sich an den Körperbewegungen des Menschen zu orientieren und auf Leinenruck verzichtet, wird auch der Grundstock zum Radius einhalten ohne Leine gelegt. Mit diesem Training bleiben auch Galgos beim Spazieren im Umfeld ihres Menschen und sprinten erst in Absprache ins Gelände. Die Adoption eines jagdlich geführten Galgos sollte man sich gut überlegen und nur umsetzen, wenn man ein aktives Leben mit einem ambitionierten Strategen führen will, dessen Respekt und Vertrauen man nur mit Intelligenz und Einfühlungsvermögen erwirbt!

 

2. Urteil „jagduntauglich“ führt zum Leben auf der Straße oder zur Abgabe in die Perrera

Stand 2010: In Spanien gibt es rund 1,1 Millionen Jäger. Bei insgesamt 39 Millionen Spaniern ist das ein Anteil in der Bevölkerung von 2,8%. Galgueros – Jäger, die sich auf die Jagd mit dem Galgo spezialisiert haben – sind etwa 180.000 bei der Federación Española de Galgos gemeldet. Die Federación gibt die Zahl gemeldeter Galgos mit 0,5 Millionen. an. So kämen auf einen Galguero etwa drei Galgos. Beim Großteil der Galgueros entspricht dies auch ihrem Galgobestand, der nach der Jagdzeit bei ihnen bleibt. Was bei dieser Zahl verschwiegen wird, ist, dass ein Galguero mit seinen drei Galgos bei zwei Würfen im Jahr bis zu 40 Welpen erzeugen kann. Professionelle Züchter hingegen besitzen zum Teil einen Grundstock von 100 - 200 Galgos, mit denen sie einen Wurf im Jahr produzieren. Die tatsächliche Zahl der in Spanien lebenden Galgos kann daher im Jahr auf einige Millionen anwachsen. Die Zahl der nach der Jagd getöteten oder ausgesetzten Galgos kann hingegen nur geschätzt werden.

Mit Ende der Jagdsaison sortieren die Galgueros ihre überzähligen Galgos aus. Wurden sie früher schlicht getötet, landen sie nun zahlreich in Perreras (Tötungsstationen) und im Tierschutz.

Die ein- bis dreijährigen Galgos werden häufig mit dem Kommentar „nicht jagdtauglich“ abgegeben. Doch was heißt das? Es heißt nicht, dass der Hund nicht jagt! Nicht jagdtauglich sind alle Hunde, die unkontrolliert jagen, die Beute zerfetzen, mit ihr verschwinden, das Falsche (landwirtschaftlich gehaltene Tiere, wie Hühner, Katzen, Schafe usw.) jagen, die nicht schussfest sind, nicht ausdauernd genug sind und nicht zuletzt, wenn sie zu gut jagen. Gerade die älteren Galgos werden abgegeben, weil sie in den vorhergehenden Jagdsaisons gelernt haben, wie der Hase seine Flucht organisiert. Er hat dazugelernt und lässt sich nicht mehr vom Hasen abhängen. Ist er noch dazu ein Stratege und plant die Haken des Hasens im Voraus, dann ist das Hetzspiel mit einem solchen Profi meist schnell beendet und der Hund in den Augen des Galgueros nicht mehr tauglich. Für den Galguero ist nicht das Stellen des Hasens das Ziel, sondern der „Run for Life“, der aufregend, vielfältig und langanhaltend sein soll. Spätestens mit fünf bis sechs Jahren werden die Galgos aus dem Rennen genommen, weil sie dann zu langsam werden, und durch junge Hunde ersetzt.

Alle älteren Galgos, die in Spanien von Jägern abgegeben werden, weil sie nicht mehr zur Jagd taugen, waren hervorragende Jäger! Sie durften mehrere Saisons mitmachen und wurden zur Weiterzucht eingesetzt. Das bedeutet auch, dass bei Nachwuchs von älteren Galgas mit den besten Jagdeigenschaften gerechnet werden muss! Hundehalter, die mit dem Gedanken spielen, einen älteren Galgo oder Nachwuchs von älteren Galgas aufnehmen zu wollen, sollten sich bewusst machen, dass sie sich mit den gleichen Problemen und Erziehungsnotwendigkeiten auseinandersetzen müssen, wie bei Jagdhunden, die aus jagdlich geführten Zuchten stammen! Letztendlich ist diese Überlegung bei allen Galgos aus Spanien zu stellen, denn in Spanien wird nicht auf Aussehen und Familientauglichkeit, sondern nur auf jagdliche Fähigkeiten gezüchtet. Vor der Adoption eines Galgos sollten sie sich daher gut überlegen, ob Sie eine lange Zeit mit einem anspruchsvollen, intelligenten und jagdlich ambitionierten Arbeitshund verbringen wollen.

 

3. Haltung und Ernährung der Galgos in Spanien

Galgos werden in Spanien als Arbeitshunde nur auf dem Lande gehalten. Sie werden für eine Wohnungshaltung als völlig ungeeignet betrachtet. Wie der Galgo in Spanien aufwächst, ist von seinem jeweiligen Besitzer abhängig. Die Haltung bei den Gitanes, den "Zigeunern", ist anders als beim Bauern oder gar in den komplexen Anlagen beim Züchter. Als Arbeitstier ist sein Einsatz im Jahr auf die Jagdzeit von Oktober bis Januar beschränkt. Den Rest des Jahres ist der Galgo arbeitslos und damit für den Großteil seiner Besitzer nutzlos. Wenn er nicht entsorgt wird, verwahrt man ihn ohne große Beschäftigung im Zwinger oder nutzt ihn als Wachhund, angebunden an einem Verschlag. Nur ein Teil der Halter versucht, die Galgos durch Auslauf am Auto oder Teilnahme auf Wochenend-Bahnrennen in Bewegung zu bringen und ihre Kondition aufrecht zu erhalten.

Die Unterbringung des Galgos kann sehr variieren. Die schlichteste Unterbringung ist an einen Baum gebunden, einen Bretterverschlag oder eine Tonne als Sonnenschutz. Es wurden aber auch schon ausgediente Autos als Hundehütten genutzt oder die Hunde gar im Kofferraum gehalten. Der größte Teil der Galgos lebt in Gruppen zwischen drei und zwanzig Hunden in einem Zwinger oder einer Scheune. Dort werden sie außerhalb der Jagdzeit kaum bewegt, sondern harren dort aus. Besser ergeht es den Galgos, die ins Sportcoursing geschickt werden und in den regionalen Meisterschaften laufen. Diese Hunde erhalten sowohl ausreichend Nahrung als auch Bewegung, sei es in Form von Ausläufen am Hof, Bewegungstraining am Auto oder den Bahnrennen mit mechanischen Hasen.

Bei Züchtern, die bis zu zweihundert Galgos halten, sind die Haltungsbedingungen meist wesentlich besser. Sie haben verschiedene Zwinger, in denen sie Rüden, Hündinnen und Junghunde getrennt halten. Läufige und tragende Hündinnen werden einzeln untergebracht. Der Zwinger besitzt einen gemauerten Raum, in dem sich die Hunde vor heißem oder kaltnassem Wetter schützen können. Der Zwingerboden ist gemauert und hat einen Ablauf, damit man ihn gut reinigen kann und die Hunde bei Regen nicht im Schlamm stehen. In Andalusien besitzen Zwingeranlagen oft auch eine Sprenkelanlage, mit der in der heißen Sommerzeit die Hunde und der Betonboden berieselt werden können. Die Verdunstungskälte hilft den Galgos, die erbarmungslose Sonne des Südens zu ertragen.

In der Regel werden Galgos in Spanien, sowohl beim Galguero als auch in den Perreras nur einmal am Tag gefüttert. Ob Galgos nun mit Trockenfutter oder Essensresten ernährt werden, ein wichtiger Bestandteil des Galgofutters ist Brot. Egal ob der Galgo beim einfachen Bauern aufwächst oder bei einem Züchter. Brot ist ohne großen Kostenaufwand von den Bäckereien zu bekommen, es sättigt und reinigt im harten Zustand die Zähne. Züchter, die ihre Tiere auch ins Ausland verkaufen, gehen zunehmend zu einer ausgewogenen und abwechslungsreichen Ernährung ihrer Hunde über, die sich an internationalen Standards orientiert. Aber auch dort werden sie nur einmal am Tag gefüttert.

Galgos in Spanien verdösen den größten Teil ihres Lebens im Zwinger! Sie langweilen sich dabei nicht oder bewegen sich stereotyp, wie das unterbeschäftigte Wildtiere im Zoo tun. Vielmehr brauchen sie nach der Jagd, bei der sie Höchstleistungen zeigen, viel Ruhe. Der typische Rhythmus von Jagdhunden ist ein anstrengendes und ereignisreiches Jagdwochenende, gefolgt von einer ruhigen, entspannten Woche im Zwinger, in der alle Eindrücke und alles Gelernte verarbeitet werden können. Um den Galgo körperlich auf diese Höchstleistungen vorzubereiten, wird er in der jagdfreien Zeit einmal am Tag kurz in den Auslauf gelassen, meistens kommen die Hunde nach einem gemeinsamen kurzen Sprint wieder in ihren Zwinger. Andere trainieren ihre Hunde zweimal pro Woche am Auto oder im Bewegungskarussell. Kurz vor der Jagdzeit wird dies bei manchen Galguero täglich praktiziert, um die Hunde in körperliche Bestform zu bringen. Während der Jagdzeit werden sie nicht trainiert, da gönnt man ihnen die Ruhe im Zwinger.

Wenn den Hunden in Spanien so viel Ruhezeit eingeräumt wird, warum glauben dann manche Halter in Deutschland, dass sie mit ihrem Galgo mindestens drei Stunden am Tag spazieren gehen müssen? Als Ersatzhandlung für die Jagd? Wenn Galgueros ihren Galgos Bewegung verschaffen, dann nur, um sie für die Jagd vorzubereiten, sie körperlich fit zu machen und ihre Ausdauer zu trainieren. Dies tun sie vorwiegend mit Lauftraining. Wenn Sie nun endlos lang mit Ihrem Galgo spazieren gehen, ihn am Fahrrad bewegen oder womöglich noch auf der Rennbahn oder im Coursing trainieren, halten Sie ihn weiterhin in dem Zustand „Jetzt geht’s gleich zur Jagd, denn ich bin in der Trainingsvorbereitungszeit“! Diese Beschäftigung kennt Ihr Galgo, und mit ihr erhöhen Sie ungewollt seinen Erregungszustand von Mal zu Mal! Aber in Deutschland gibt es keine Jagd! Und so verlässt Ihren Hund nach und nach die Lust und es verbreitet sich ein schleichender Frust, der bei dem einen Hund dazu führt, dass er demotiviert hinter seinem Besitzern herschleicht und bei dem anderen dazu, dass er seinen Frust in Zerren an der Leine, Attackieren von Tieren und Zerstören von Gegenständen abbaut.

Gestalten Sie Ihrem Galgo in Deutschland lieber eine völlig neue Welt! Signalisieren Sie ihm damit, dass seine alte Arbeitswelt Vergangenheit ist und dass nun ein komplett neues Leben beginnt, in dem er seine Fähigkeiten im engen Zusammenspiel mit Ihnen für neue Ziele einsetzen kann. In enger Absprache mit dem Menschen im Freien etwas Neues zu lernen kennt Ihr Galgo nicht, und das wird seine Neugier wecken!