Ein besonderer Gast in unserer Auffangstation

Tanjas Trainingsurlaub mit unseren ängstlichen Galgos

Es vergeht keine Woche, in der die Galgos unserer Auffangstation nicht Besuch bekommen, sei es durch unsere unermüdlichen Helfer und Gassigänger oder durch Interessenten auf der Suche nach einem neuen Familienmitglied. In den vergangenen zwei Wochen hatten wir jedoch einen ganz besonderen Gast.

Die Adoptantin unserer Ex-Pflegegalga Snow macht gerade eine Ausbildung zur Hundetrainerin. Unser Kontakt zu Tanja war nie abgerissen und ihre Liebe zu den Galgos ist natürlich ungebrochen. So wurde die Idee geboren, dass Tanja ihren Sommerurlaub zusammen mit ihren beiden Galgos bei uns in der Auffangstation verbringt, um mit einigen der ängstlichen Galgos an den Vormittagen zu trainieren und dabei gleichzeitig Erfahrungen zu sammeln.

Gesagt, getan. Tanja hat zwei ereignisreiche Wochen hinter sich, über die sie einen kleinen Bericht verfasst hat.

Die Zeit ist wie im Fluge vergangen. Es hat uns viel Spaß gemacht und die Hunde haben von Tanja auf vielfältige Weise profitiert. Ganz herzlichen Dank für alles, liebe Tanja! Ihr habt hier viele Freunde gefunden, die Dich, Pico und Snow jederzeit wieder freudig willkommen heißen werden!
 

Tanjas Bericht:

Mein Training mit ängstlichen Galgos der Galgorettung Fränkisches Seenland e. V.


In der Ausbildung zur Hundetrainerin wird wenig darauf eingegangen, wie man mit einem umgangssprachlich genannten „Angsthund“ umgeht. Umso erfreuter war ich, als Bianca Seefeld mir erlaubte, mit ihren Hunden Praxiserfahrung zu sammeln.

Meine zwei Wochen Sommerurlaub durfte ich in der Auffangstation der Galgorettung Fränkisches Seenland e. V. in Thalmässing bei vielen vierbeinigen neuen Freunden verbringen. Ich habe jeden einzelnen Tag davon genossen und immer noch Tränen in den Augen, wenn ich an den Abschied denke. Am liebsten hätte ich diese tollen Hunde alle mitgenommen - wahrscheinlich war das der Grund warum mein Mann mir seinerzeit nur einen Kleinwagen kaufte.

Begleitet wurde ich von meinen beiden Hunden: der vierjährigen tauben Galga Snow, selbst aus dem Hause Seefeld und dem elfjährigen Galgo-Mix Pico, ehemaliger „Angsthund“, jetzt selbstbewusster Familienclown aus dem Tierheim Feucht. Wir durften die Gruppe in der ersten Blockhütte der Station besser kennenlernen und uns dort insbesondere um Quesa, Hada und Cartuja bemühen.

 

Quesa

Quesa gewann schnell Vertrauen und zeigte sich nach dem ersten Spaziergang gar nicht mehr so ängstlich. Sie hielt sich zwar immer noch zurück, wenn man innerhalb des Geheges in Bewegung war, kam aber schnell und neugierig heran, wenn man einen festen Platz hatte. Mühelos ließ sie sich dann ihr Halsband anlegen. Bei Spaziergängen zeigte sie sich als selbstbewusste Jägerin, immer wieder ließ sie ihren Blick über die Felder schweifen, um keine Bewegung in Gras oder Korn zu verpassen. Sie ging sofort voraus und steckte die Nase neugierig in Mäuselöcher. Dass ein Mensch dabei war, störte sie nicht. Berührungen während des Spaziergangs waren überhaupt kein Problem. Eine tolle Hündin die sehr schnell Vertrauen aufbaut.

Hada

Hada  hingegen kam im Gehege nicht heran. Ging man zum Anlegen ihres Geschirrs vorsichtig auf sie zu, wich sie so lange zurück, bis sie für sich keinen Ausweg mehr aus der Situation sah und sich als Zeichen des Ergebens absetzte. Beim Spaziergang war sie sehr ängstlich, scheu, schlich versetzt hinter einem her. Ich versuchte es mit meiner Hündin Snow als Leithund, was aber nicht den gewünschten Effekt brachte. Mit Pico dagegen klappte es prima; ihm schloss sie sich an und vergaß mitunter ganz, dass ich dabei war. Nachdem mir erzählt wurde, dass sie sich auf dem Hundeplatz nicht mehr habe einfangen lassen, habe ich versucht, dementsprechend mit ihr zu üben, begleitet von Pico. Wenn ich Pico heran rief, folgte Hada, blieb dann aber in sicherer Entfernung stehen. Setzte ich mich auf die Wiese, kam sie heran, schnüffelte neugierig und nahm auch kleine Belohnungen von mir an. Als Hada dann kurz vor ihrer Vermittlung stand und sie im Wald und Gelände mittlerweile selbstsicherer geworden war, wagten wir uns an Straßenverkehr und Personenbegegnungen in der nächsten Ortschaft.

Abschließend ist meine Einschätzung, dass Hada eine vorsichtige, noch scheue, aber sehr liebenswerte und rücksichtsvolle Hündin ist. Kein Leinenziehen, egal ob nach vorne oder hinten. Kein plötzliches Losjagen bei Hasen oder Eichhörnchen. Sie hat sich sehr gut an Pico und mir orientiert. Als Begleiter von Hada ist man gezwungen, ihre Unsicherheit durch Souveränität wettzumachen. An Personen oder Fahrzeugen, an denen ich entschlossen vorbeigegangen bin, ist sie mir ohne Zögern gefolgt. Sobald ich selbst kurz inne hielt, um mich in Richtung oder Situation zu orientieren, bekam sie Angst und wich zurück. Was das Problem am Hundeplatz betraf, waren wir am Ende so weit, dass sie mir folgte, wenn ich in Richtung Ausgang ging und auch die Schleppleine konnte dann problemlos aufgenommen werden. Hada wurde inzwischen adoptiert. Ich wünsche ihr und ihrer neuen Besitzerin alles, alles Gute und ganz viele schöne, liebevolle Momente!

Cartuja

Cartuja stellte sich mir folgendermaßen vor: Sie lässt sich nicht anleinen. Kommt nicht zu einem her.  Sie ergreift die Flucht, wenn man sie anleinen möchte, so dass man verführt sein könnte, regelrecht hinter ihr her zu jagen, um ihrer habhaft zu werden. Beim Versuch, sie an der Leine zu führen, sperrt sie sich komplett.

Unser erster Spaziergang vom Gehege der Hunde aus führte über eine offene weite Wiesenfläche. Cartuja blieb stehen ging nicht weiter. Ziehen oder Zwang kam nicht in Frage, also versuchte ich zu beobachten, was sie tat. Sie drückte sich zurück in Richtung Wand des Stalls. Jeder Schritt weiter in Richtung Wiese führte zu einem weiteren Zurückweichen ihrerseits. Aus diesem Grund ließ ich sie zunächst gewähren und versuchte die Situation aus ihrer Sicht zu erfassen. Ich hatte den Eindruck, dass sie an der für sie ungewohnten Leine die Vielzahl der Bewegungen auf der Fläche nicht bewerten konnte und Angst hatte, auch nach Hinten schutzlos zu sei. Ich gab einen anderen Weg an der ehemaligen Pferdekoppel entlang vor und sie folgte, wenn auch zögerlich. Immer wieder blieb sie stehen, musste abgeholt werden. Mit diesem Abholen meine ich, dass ich in einem kleinen Bogen an ihre Seite gehe, Kontakt aufnehme in dem ich kurz über die Wange streiche (ein Zeichen der Wertschätzung unter Hunden) und dann gemeinsam mit ihr weiter gehe. Ich beschreibe das hier deshalb so genau, weil Cartuja auch im späteren Verlauf immer wieder aus verschiedenen Situationen dieses ‚Abholen‘ brauchte und ich hoffe, dass auch die neuen Besitzer sie ‚abholen‘ und nicht durch ein Reißen weiterzwingen. Für den nächsten Spaziergang nahm ich Snow als Leithund mit. Um das Üben mit Cartuja zu dokumentieren habe ich ab hier Videos gemacht, auf denen immer wieder eine schrittweise Veränderung zu erkennen ist.

Abschließend kann ich über Cartuja sagen, dass sie schnell lernt. Weite, offene Flächen sind auch allein mit ihr kein Problem mehr. Sie geht sehr gut an der Leine. Ihr Geschirr lässt sie sich mittlerweile mit viel Ruhe ohne Probleme anlegen. Auch hier habe ich den Eindruck, dass sie gelernt hat, Geschirranlegen mit einem tollen Spaziergang zu verbinden. Sie hält Distanz, wenn man sich auf sie zu bewegt. Kommt aber auch heran, wenn man in die Hocke geht. Cartuja ist eine Wuselmaus, wenn sie einmal den Schleier der Angst abgelegt hat. Jedes Mäuseloch will gestöbert sein. Sie geht zügig an der Leine, zerrt auch daran, wenn sie eine Spur aufgenommen hat. Bei Begegnungen mit Wild (ohne Leithund) gibt sie die Jagd vor und reißt ruckartig los, versucht sich dann auch aus Leine und Geschirr zu winden. Sind wir im Beisein mit Snow auf Wild gestoßen, hat sie sich an der Leithündin orientiert und das Tabu, das ich Snow gegeben habe, mit aufgenommen. Generell würde ich Cartuja für ihren Anfang in der Menschenwelt einen souveränen Leithund an die Seite geben.

Und all die anderen Galgos ...

Natürlich habe ich nicht nur Zeit mit den vorsichtigen und zurückhaltenden Galgos verbracht, sondern konnte nicht widerstehen, auch die aufgeschlossenen Gesellen des Rudels bei Spaziergängen besser kennenzulernen. Denn wer kann schon Pinos sanftem Charme und Fridis lebhaften Spielen widerstehen. Wer möchte sich nicht von Bandoleros purer Lebensfreude mitreißen lassen oder mit der quirligen Silka turteln. Oder wer könnte lange der hartnäckigen Streichelaufforderung von Maoro wiederstehen, der sich entgegen seiner Größe und seinen ungestümen Bemühungen, im Gehege Aufmerksamkeit zu erregen, an der Leine nahezu zarttänzelnd bewegt.

Jeder Einzelne für sich ein ganz toller Hund mit einem ganz eigenen spannenden Charakter, der entdeckt und geliebt werden will. Jeder Einzelne von ihnen hat ein herzliches Zuhause mit viel Würdigung seiner Persönlichkeit verdient. Schaut euch nicht nur die Bilder an und bewertet die Hunde nach dem, was sie dort darstellen. Lernt sie einfach kennen!

Bianca leistet eine beispiellose Arbeit mit ihren Hunden. Wie liebevoll sie sich kümmert, Verletzungen versorgt, sich der Tiere annimmt, dabei für die Probleme ihrer menschlichen ‚Kunden‘ da ist und täglich versucht, für alles einen Weg und das Beste zu finden, ist grandios und hat ein ganz dickes Lob und Dankeschön verdient.

Danke, dass ich da sein und das alles erleben durfte! Ich hoffe sehr auf eine Wiederholung und wäre sehr stolz, ab und an zu Spaziergängen mit meinen neuen Freunden wiederkommen zu dürfen.

 

Liebe Grüße

Tanja