Wenn man vorher noch nie mit Windhunden zu tun hatte, muss man ein wenig umdenken. Windhunde „ticken“ anders als andere Hunderassen und das macht sie speziell. Eigentlich gibt es deswegen nur zwei Sorten von Menschen: Solche, die sich nicht mehr vorstellen können, ohne Windhund zu leben, und solche, die sich überhaupt nicht vorstellen können, mit ihnen zu leben.
Die Galgos, die aus dem Tierschutz zu uns kommen, sind noch ein wenig „spezieller“. Viele von ihnen haben in ihrem Leben bereits schlechte Erfahrungen gemacht (mit Menschen oder anderen Hunden), manche sind traumatisiert und manche haben noch überhaupt keine Erfahrungen gemacht, was bedeutet, dass sie Deprivationsschäden haben: Sie kennen nichts, weil sie ihr ganzes Leben lang eingesperrt waren. Es gibt aber durchaus auch die aufgeschlossenen, unerschrockenen, die man von Anfang an überall hin mitnehmen kann. Wir nennen sie die „Anfängerhunde“. Für jemanden, der vorher noch nie einen Galgo hatte, ist es sinnvoll, sich nach solch einem „Anfängerhund“ umzuschauen.
Wer meint, einen Galgo mit Strenge oder Härte erziehen zu können, ihn mit lauter, ärgerlicher Stimme anzusprechen oder gar anzubrüllen, wird genau das Gegenteil von dem erreichen, was er möchte. Galgos sind sensible Hunde. Sie reagieren auf die leisen Töne, beobachten die Mimik, die Körpersprache, es bedarf keiner lauten Worte, um sich einem Galgo verständlich zu machen. Aber Konsequenz ist angesagt! Galgos sind überaus intelligent und beobachten gut. Deswegen schaffen sie es sehr schnell, den Spieß umzudrehen und ihren Menschen zu konditionieren statt umgekehrt. Das machen sie in einer ausgesprochen liebenswerten, unwiderstehlichen Art, so dass man es zunächst gar nicht bemerkt. Im Handumdrehen wird so das abendliche Leckerchen, das man vor dem zu Bett gehen gefüttert hat, zu einem unverzichtbaren Ritual, das durch beharrliches Verfolgen seines Menschen auch eingefordert wird.
Die allermeisten Galgos aus Spanien haben einen ganz starken Jagdtrieb. Das liegt in einer jahrhundertelangen Selektion auf Hunde begründet, die eben ein solches Verhalten zeigen. Es ist gewünscht. Ein Galgo, der keine jagdlichen Ambitionen zeigt, wird gleich „aussortiert“ und wird nicht zur Zucht verwendet werden. Daher ist es auch bei sehr folgsamen Hunden kaum möglich, sie im Gelände frei laufen zu lassen. Das kann gut gehen, solange kein Wild auftaucht. Es entgeht ihnen jedoch nichts. Windhunde jagen auf Sicht, das heißt, dass sie Wild meistens schon lange vor ihrem Besitzer wahrnehmen. Und dann wird durchgestartet, von 0 auf 60 km/h, noch bevor Herrchen oder Frauchen reagieren kann – weg ist der Galgo, dem Wild hinterher, das dann erbarmungslos gehetzt wird. So kann eine Straße, die 1 km entfernt liegt, auf einmal sehr nahe sein - für einen Galgo, der einem Hasen hinterher rennt, in 1 min erreichbar. Als Beute kommt prinzipiell alles in Betracht, was pelzig ist und rennt: Hasen, Kaninchen, Eichhörnchen, Rehe, oft auch Katzen. Vögel sind meistens nicht interessant, aber es gibt auch Galgos, die Vögel jagen.
Wer sich einen Hund wünscht, den er überall frei laufen lassen kann, sollte sich keinen Galgo anschaffen.
Da Freilauf also sehr eingeschränkt und, wenn überhaupt, nur bei einem gut folgsamen und auf seinen Besitzer fixierten Hund möglich ist, suchen sich die meisten Galgobesitzer die Möglichkeit, ihren Hund in gesichertem (umzäuntem) Gelände laufen zu lassen, z. B. bei Windhundausläufen. Wer sich glücklich schätzt, einen großen Garten zu besitzen, sollte dafür Sorge tragen, dass die Umzäunung „galgosicher“ ist, d. h. am besten 1,80 m hoch, denn normale Gartenzäune von 1,20 m Höhe überspringen zumindest jüngere, athletische Galgos ohne Anlauf aus dem Stand.
Nicht alle Galgos fühlen sich bei Windhundausläufen wohl. Die Schüchternen unter ihnen sind in der großen Gruppe häufig überfordert und zeigen Fluchttendenzen oder ziehen sich zurück. Hier ist aber das Wiesenmanagement gefragt, das verantwortungsbewussterweise für eine entsprechende Integration sorgt. Sonst kann das eben noch lustige Rennspiel schnell in eine Mobbingattacke mit Jagdsequenz dem „schwächeren“ Artgenossen gegenüber umkippen.
Im Haus zeigt sich der Galgo als unauffälliger, sehr ruhiger Zeitgenosse, den man kaum wahrnimmt. Er liegt gerne auf weichen, am besten erhöhten Plätzen (Sofa), von denen er die Wohnung überblicken kann. Die allermeisten Galgos erobern Sofas im Handumdrehen, ja sie steuern sie geradezu zielsicher an. Hier liegt es sich bequem und man kann trotzdem alles im Auge behalten. Galgos verhalten sich in Wohnungen „katzenartig“. Sie sind Leisetreter und keine Beller (obwohl auch Galgos bellen, aber es gibt nur wenige „Kläffer“ unter ihnen; diese sind dann zumeist Angstbeller oder solche, die unter Verlassensängsten leiden). Wechselt man das Zimmer und besitzt mehrere Galgos, folgt einem der ganze Tross dann unauffällig; sie sind wie Schatten, aber ohne aufdringlich zu sein.
Galgos schlafen viel (wobei sie eine unglaubliche Ruhe ausstrahlen) und lieben es dabei möglichst kuschelig weich, ja sogar plüschig zu liegen! Das kann über kurz oder lang Auswirkungen auf das Ambiente und die Wohnraumgestaltung haben (selbst bei den größten Puristen unter den Zweibeinern).
Wenn es um herumstehendes Essen geht, so merkt man schnell, man sich einen Meisterdieb ins Haus geholt hat. Daher erzieht einen der Galgo sehr schnell zu einer ordentlichen Hausfrau, die alles gut und galgosicher wegräumt und verstaut, was essbar ist.
Galgos sind keine Apportierhunde. Zwar kann man ihnen durchaus beibringen, Gegenstände zu holen, aber das macht ein Galgo nur wenige Male, bevor ihn dieses Spiel langweilt. Galgos sind intelligente Strategen und wollen auch kopfseitig gefordert sein. So kann man durchaus auch Fährtensuchen mit ihnen veranstalten oder Suchspiele nach Leckerchen. Bietet man ihnen solcherlei nicht, suchen sie sich Ersatz: Galgos können stundenlang auf Wiesen nach Mäusen suchen und sind leidenschaftlicher Ausgräber und Aufspürer.
Auch beim Spaziergang liebt der Galgo die Abwechslung. Wer meint, jeden Tag die immer gleiche 1- bis 2-km-Runde mit seinem Hund absolvieren zu müssen, legt sich entweder besser keinen Galgo zu oder eben einen schon betagten oder bewegungseingeschränkten.
Galgos sind hervorragende Physiklehrer. Wer mit seinem Hund an der durchhängenden Schleppleine (keine Flexileine!) gedankenverloren durch die Gegend schweift, dem kann es passieren, dass ihm die Gesetze der Physik in geradezu umwerfender Weise näher gebracht werden. Ein Eichhörnchen reicht dabei völlig aus, damit man die bis dahin nie verstandenen Sätze der Kinetik, speziell den Impulssatz, schlagartig zu begreifen lernt: Eine kleine 18-kg-Galga ist durchaus in der Lage, ihren Besitzer durch entsprechendes Durchstarten zu Fall zu bringen oder ihm zumindest die Leine aus der Hand zu reißen. Darum sind auch die in der Hundewelt so beliebten Flexileinen für Galgos denkbar ungeeignet. Unendlich viele traurige Geschichten mit fatalem Ende für den Hund lassen sich hierüber erzählen. Kaum jemand ist in der Lage, einen derartigen Impuls mit einer solchen Vorrichtung angemessen abzufangen. Und wenn die Flexi fällt, dann klappert der "Kasten" dem davonrennenden Hund in einer für ihn äußerst bedrohliche wirkenden Weise hinterher ...
Galgos mögen kein schlechtes Wetter. Es ist meistens erhebliche Überzeugungsarbeit vonnöten, um seinen Galgo bei Regenwetter zu einem Spaziergang zu animieren. Öffnet man mit seinen Galgos an der Leine bei Niederschlag die Haustür, wird man ein konzertiertes Zurückweichen der ganzen Truppe auf der Türschwelle beobachten können.
Im Winter frieren Galgos und benötigen einen Mantel; das liegt zum einen an dem zumeist dünnen Fell und der nicht vorhandenen Unterwolle und zum anderen an der fehlenden Isolierung durch niedrigen Körperfettanteil. Wem Mäntel tragende Hunde immer schon albern anmuteten, wird spätestens dann von der Notwendigkeit eines solchen überzeugt, wenn er zum ersten Mal mit seinem vor Kälte klappernden Hund unterwegs gewesen ist.
Dagegen lieben alle Galgos ausgiebige Sonnenbäder und um diese voll ausschöpfen zu können, wandern sie mit ihren Liegeplätzen der Sonne quasi hinterher. Jeder noch so kleine Sonnenfleck in der Wohnung, auf der Terrasse oder im Garten wird gerne dazu genutzt.
Galgos haben ein großes Herz. Und das ist nicht allein in morphologischer Hinsicht gemeint. Viele von ihnen haben in ihrem früheren Leben keine guten Erfahrungen mit den Menschen gemacht. Und doch schaffen sie es in den allermeisten Fällen zu „verzeihen“. Selbst bei sehr ängstlichen und misstrauischen Hunden hat man den Eindruck, dass sie vertrauen möchten, ihrem Menschen trotz allem nahe sein möchten. Sie brauchen Zeit, um das zerstörte Vertrauen zurückzugewinnen, nach all dem Leid, was sie erfahren haben. Man darf sie dabei nicht drängen, sondern sollte sie selbst das Tempo bestimmen lassen. Geduld ist hier gefragt und nicht Erwartung. Wer es schafft, dem verängstigten, traumatisierten Hund gegenüber keinerlei Erwartungshaltung zu hegen, sondern sich über das zu freuen, was er von sich aus anbietet, in kleinen Schritten, der wird reich belohnt werden! Es gibt nichts Schöneres, als zu erleben, wie ein solcher Hund den Panzer aus Angst allmählich ablegt, wie er beginnt, Freude zu entwickeln und lernt, Halt in seinem Menschen zu finden. Ihn nicht zu drängen, sondern dort abzuholen, wo er steht, und viele kleine Schritte gemeinsam mit ihm zu tun, um schließlich Meilensteine zu schaffen, ist hier die einzig richtige Vorgehensweise. Und schließlich am Abend gemeinsam auf dem Sofa zu kuscheln und den Tag ausklingen zu lassen.
Das ist es, was das Leben mit ihnen zusammen so unvergleichlich macht:
Galgos sind Seelenhunde – sie tun der Seele gut!