Stuttgart: Kosmos Verlag, 2019. 263 Seiten. ISBN 978-3-440-14953-9
Galgos sind hochspezialisierte Jagdhunde. Seit Jahrhunderten in Spanien für die Jagd auf Hasen selektiert, wird fast jeder Galgo – egal wie gut Bindung und Gehorsam gegenüber seinen Menschen sein mögen – beim Anblick von Wild oder Katzen instinktiv die Verfolgung aufnehmen, seine Beute mit bis zu 60 km/h hetzen und töten wollen. Die angeborenen Verhaltensmuster der Galgos kollidieren mit den Erwartungen manch eines Besitzers sowie mit den Möglichkeiten, die wir ihnen in unserer stark durchsiedelten Umwelt bieten können. Grund genug, sich mit dem Jagdverhalten von Hunden intensiver zu beschäftigen, denn das Thema wird den Halter eines Galgos ein Leben lang begleiten.
Die Hundetrainerin Anja Fiedler hat mit ihrem Buch „Jagdverhalten verstehen, kontrollieren, ausgleichen“ ein fundiertes Handbuch verfasst, das man ohne zu übertreiben bereits jetzt als Standardwerk zum Thema bezeichnen kann. Man merkt dem Buch an, dass Fiedler viel von der von uns hoch geschätzten Verhaltenstherapeutin und Trainerin Ute Blaschke-Berthold gelernt hat. Dass Fiedler außerdem den Jagdschein hat, schlägt sich nicht nur in der Sprache des Buches nieder, sondern auch in einem an Jäger gerichteten Praxisteil am Ende jedes Kapitels. Aber es werden natürlich nicht vorrangig Jäger als Leserschaft angesprochen, sondern all jene, die mit ihrem Jagdhund, egal welcher Rasse, entspannt und mit beiderseitiger Freude in der Natur unterwegs sein wollen.
Im ersten Kapitel werden die Grundlagen des Jagdverhaltens erläutert, das unseren Hunden als Bestandteil des Nahrungserwerbs angeboren ist. Dieses angeborene Verhalten wurde dann aber durch Selektion an die verschiedenen Bedürfnisse des Menschen – spezialisierte Helfer für verschiedene Formen der Jagd und Hütearbeit – angepasst. Auch Impulsivität war bei der Entstehung der verschiedenen Jagdhundtypen ein Selektionsmerkmal und macht dem Halter eines Jagdhundes das Leben nicht immer leicht, wenn Sequenzen aus dem Beutefangverhalten bei Sichtung von Wild ablaufen und unsere Signale am Hund abprallen. Diesem angeborenen Verhalten müssen wir ein erlerntes Verhalten entgegensetzen, das durch Training in zunehmendem Maße generalisiert wird, so dass der Hund immer weniger anfällig für Ablenkung wird. Dafür muss der Hund lernen, dass sich Impulskontrolle in Form von Warten und Unterbrechen lohnt. Hier setzt das Buch von Fiedler an und liefert hervorragende Hintergrundinformationen und praktische Trainingsanleitungen gleichermaßen.
Die Themen „Motivation“ und „bedürfnisgerechte Belohnung“ bekommen großen Raum, denn es geht natürlich auch darum, dass der Hund beim Training Spaß haben soll. Hobbys des Hundes, Umwelterkundung und vor allem das Aufgreifen von Elementen der Jagdsequenz in der Form der Belohnung – all das wird ausführlich und anhand vieler Beispiele, Fotos und Grafiken von Fiedler erläutert.
In zwei umfangreichen Kapiteln geht es dann um das Kontrollieren von Jagdverhalten, angefangen beim Aufbau eines Markersignals, über das Laufen an der Leine, Entspannungsübungen in wildreichem Gebiet bis hin zum Stehen und Gucken bei Wildsichtung, dem Warten im freien Gelände und dem Rückruftraining.
Die Lektüre des Buches verlangt dem Leser einige Konzentration ab, da geballtes Wissen vermittelt wird. Aber der Lohn der Lektüre ist reich. Der Leser lernt die Bedürfnisse seines Jagdhundes zu verstehen und mit ihnen zu arbeiten, nicht gegen sie. Belohnt wird man nicht zuletzt durch einen zufriedenen Hund, der Freude daran hat, mit seinem Menschen als Team die Natur zu erkunden.